Der Alltag unserer Kinder hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Durch Veränderungen in der Wohnwelt und der Arbeitssituation der Eltern entstehen andere Lebens-und Erfahrungsräume. Hiervon sind alle Kinder betroffen, insbesondere Stadtkinder.
Aber auch auf dem Land und in der Kleinstadt werden die Spielräume außerhalb der Wohnung kleiner und weniger. Kleine, nicht bespielbare Gärten, die Straße als Spielplatz fällt wegen des Autoverkehrs aus, Kinder sollen sich beim Spielen nicht schmutzig machen, es soll keine Unordnung entstehen.
So haben sich die Spielbereiche der Kinder stärker nach innen, in die Kinderzimmer verlagert. Innerhalb der familiären Wohnungen gibt es für Kinder oft nur begrenzte Möglichkeiten, ihrem Bewegungsdrang freien Lauf zu lassen und ihre Kreativität zu entfalten.
Die Spielzeugindustrie reagiert hierauf mit einem massenhaften Angebot an sogenannten „Zimmerspielen“. Hinzu kommt die Ausweitung des Fernseh- und Videokonsums und der Computerspiele mit all seinen bekannten Begleiterscheinungen.
Sinnliche Erfahrungen mit verschiedenen Materialien und mit der Natur sind in der Stadt kaum und auf dem Land selten möglich.
Kinder erleben ihren Alltag mit allen Sinnen, und sie handeln und kommunizieren mit ihrer Umwelt auf vielfältige Weise. Die geistigen Fähigkeiten des Kindes entwickeln sich in Wechselbeziehung zu seiner Umwelt. Es ist auf Reize, Informationen und Reaktionen durch seine Umwelt angewiesen.
Kinder sollen ein Leben aus erster Hand und nicht aus zweiter Hand leben. Sie sollen sich entwickeln und nicht von uns „gemacht“ werden.
Die Ästhetische Frühförderung ist als Bestandteil der Gesamtförderung von Kindern im Alter von 2–6 Jahren zu verstehen.
Die Kunstschule bietet den Kindern die Möglichkeit durch Experimentieren und Kennenlernen der verschiedenen Materialien wie Ton, Farbe, Leister, durch das Probierangebot von Zeichnen, Malen, plastischem Gestalten, Freiem Spiel, Rollenspiel, Literatur, Geschichten erzählen die allgemeine Entwicklung des Kindes zu fördern.
Ziel der Frühförderung ist es nicht, das Kind zum „Künstler“ zu formen, sondern Möglichkeiten zur Entwicklung und Entfaltung eines kreativen, kritisch und selbstständig denkenden und handelnden Menschen zu schaffen. Und nicht zuletzt, die Möglichkeit aufzuzeigen, daß kreatives Tun Spaß und Freude macht.
Sensibilisierung der Wahrnehmung
Etwas wahrnehmen ist ein aktiver Vorgang, in dessen Prozeß sich das Kind mit allen Sinnen seine Umwelt aneignet. Kinder lernen durch eigenes Tun, durch eigene Fehler, in dem sie Lösungswege allein finden und nicht indem wir ihnen die Möglichkeit des Erfahrungsammelns nehmen oder abkürzen und ihnen unsere Möglichkeit des Weges durch Anweisungen präsentieren: hier: „nimm gelb und blau, das ergibt grün.“
Je jünger die Kinder sind, desto mehr sind die Möglichkeiten ihrer Denkentwicklung gebunden an sinnliche Erfahrungen. Der Prozeß der Entwicklung der Wahrnehmungsfähigkeit und der persönlichen Verarbeitung beginnt sehr früh und dauert ein Leben lang an.
Für Kinder ist das Wahrnehmen ein In-Beziehung-setzen zwischen Gegenstand, Mensch und persönlicher Erfahrung.
Kinder sind in ihrer Entwicklung auf die Reize und Informationen aus ihrer Umwelt angewiesen (s.o.), deshalb sollten ihnen unterschiedliche und vielfältige Erlebnis- und Erfahrungsfelder zur Verfügung stehen. Erst dadurch wird ihnen ein genaueres Erkennen, Differenzieren und Verarbeiten möglich.
Die gestalterische Arbeit ist eine komplexe, ganzheitliche Tätigkeit, an der gleichzeitig die drei wichtigen Ebenen Denken, Fühlen und Handeln beteiligt sind. Hier erhalten die Kinder die Möglichkeit, diese Bereiche miteinander zu aktivieren und zu entwickeln. Einer einseitigen kognitiven Ausrichtung und einer Trennung von Verstand und Gefühlsbereich, wie sie allzu häufig Ergebnis der Erziehung in unserer Gesellschaft ist, kann somit entgegengewirkt werden.
Sensibilisierung der Flexibilität
Gemeint ist hiermit die Fähigkeit, sich schnell und ohne Angst in neuen Bedingungen zurechtzufinden. Das können Situationen, Aufgaben, Materialien usw. sein. Wer flexibel reagiert, kann z. B. neue Bedingungen oder Begebenheiten in alte mit einbeziehen. Er kann mit seiner funktionierenden Phantasie auf einen Anstoß von außen sofort mit Ideen, Bildern und Vorschlägen reagieren.
Förderung der Kreativität
Kreativität ist die Fähigkeit, Denkergebnisse beliebiger Art hervor-zubringen, die im wesentlichen neu sind und demjenigen, der sie her-vorgebracht hat, vorher unbekannt waren. Es ist das Suchen nach indi-viduellen Lösungen. Kreativität ist die Voraussetzung dafür, daß Kinder selbstständige, selbstbewußte und produktive Menschen werden. Sie erlangen damit die Fähigkeit und Bereitschaft, Probleme zu sehen, zu benennen und sie aktiv anzugehen. Sie erkennen Vorgegebenes als veränderbar. Sie erfahren, dass sie an der Gestaltung ihrer Umwelt und somit an der Gestaltung der Gesellschaft aktiv mitwirken können.
Jedes Kind ist im Ansatz kreativ !
Es will sich äußern – etwas von innen nach außen bringen –. Die Ebene, die das Kind wählt kann von Vorlieben, aber auch von einer anregenden Umgebung herrühren.
Das eine Kind zeichnet und malt gerne, das nächste tanzt und singt oder turnt und wieder ein anderes baut Sprachspiele.
Manche Kinder benutzen alle Ebenen oder einige um sich mitzuteilen.
Ob das Kind aber kreativ bleibt, hängt von der erziehenden Umgebung ab. Kreativität wird oftmals nicht zugelassen, wird sogleich kanalisiert, festgelegt, begrenzt.
Der Ablauf eines kreativen Prozesses
Ein kreativer Prozeß verläuft in 4 Phasen:
- Problemphase
- Suchphase
- Lösungsphase
- Verwirklichung
Ganz wichtig ist es nach der Problemstellung auszuprobieren, zu ex-perimentieren, zu untersuchen, nachzudenken, Informationen einzuholen, Lösungsansätze anzusteuern. Die Lösung ergibt sich dann meistens von selbst. Ein Problem ist, dass in den meisten Fällen diese Suchphase verkürzt wird oder sogar gänzlich entfällt, d.h., dass Probleme in ihrer Frage-stellung schon die Lösung enthalten oder zumindest andeuten. Kinder wollen ihren Weg selbst finden und der Weg ist wichtiger als das Ziel.
Kinder haben ein großes Bedürfnis etwas auszuprobieren. Man kann ihnen viel zutrauen, ohne genaue Anleitungen zu geben. So erfahren sie Grenzen und Möglichkeiten, lernen verschiedene Werkzeuge und Materialien kennen und bei alledem differenziert sich die Feinmotorik der Hand. Diese Erfahrungen sind nicht zu unterschätzen auf dem Weg zur Selbständigkeit der kindlichen Person, sie machen sie sicherer und helfen ihr, sich zurechtzufinden.
Vermittlung künstlerischer Ausdrucks- und Gestaltungstechniken
Die ästhetische Frühförderung beinhaltet die Vermittlung künstlerischer Ausdrucks- und Gestaltungstechniken. Künstlerische Tätigkeit ist immer auch soziale Tätigkeit, da die jeweilige Kunstform dazu dient, sich auszudrücken und mitzuteilen.
Dadurch, dass das Kind verschiedene bildnerische Ausdrucksformen erlernt oder beherrscht, verfügt es über ein Medium, sein Inneres und seine Betroffenheit ohne Sprache auszudrücken. Das Kind klärt für sich einen Begriff, eine Situation und stellt sie mit bildnerischen Mitteln dar. Der gezeichnete Stuhl, der Hund oder die Katze ist ungleich präziser, als das gesagte Wort.
Die Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit des Kindes wird so gefördert.
Die relative Sprchunabhängigkeit der meisten bildnerischen Ausdrucksformen bietet einen Lernraum fürr Kinder, in dem sie Selbstvertrauen, Erfolgs- und Lernmotivation leichter und stabiler entwickeln können als z.B. bei überwiegend sprachgebundenen, kognitiv ausgerichteten Lernaktivitäten.